Talentidentifikation beim Wintersportnachwuchs - Wie hängen Athletik und Technik im Grundlagentraining zusammen?

Die Bedeutung der vielseitigen Athletikausbildung im Grundlagentraining für die Entwicklung einer effektiven Technik ist unbestritten. Doch stechen damit Athlet*innen, die gute allgemein-athletisch Leistungsvoraussetzungen im Sommer aufweisen, gleichzeitig auch im Winter technisch heraus? Wo genau liegt der Zusammenhang zwischen Technik, Athletik und Wettkampfleistung im Grundlagentraining? Diese Fragen wissenschaftlich zu untersuchen war ein Ziel des Projekts „Zusammenhang von Athletik und Technik im Grundlagentraining der Sportarten Biathlon, Skilanglauf, Nordische Kombination und Skispringen“, welches Ronny Fudel (IAT-Nachwuchsleistungssport) 2022-2023 gemeinsam mit den DSV-Sportdirektoren bzw. den Cheftrainern Nachwuchs der vier Disziplinen durchführte.

 

Tim Kopp u. Ronny Fudel beim Schülercup Rastbüchel 2022 (Foto: Jan Simon Schäfer)

Auswertebogen Athletik/Technik (Quelle: IAT)

Der Impuls, den Leistungsstand des Nachwuchses in der Athletik der ausgewählten Wintersportarten und deren Bedeutung für die Talentidentifikation wissenschaftlich in den Blick zu nehmen, kam im Rahmen eines früheren IAT-Projekts im Nachwuchsleistungssport auf: Von 2020 bis 2021 befasste sich Ronny Fudel genauer mit der Technikanalyse. Gemeinsam mit den Projektpartnern erarbeitete er Technikkriterien für die Sportarten Skispringen und Skilanglauf, prüfte dann für den Schülerbereich (12-15 Jahre), in welchem Maße die Kriterien erfüllt werden und entwickelte Ansätze, die Technik zu verbessern. „Ein Punkt dabei war natürlich das Athletiktraining. Daraus folgend entstand die Frage, wie der Leistungsstand in der Athletik aktuell erfasst wird und welchen Einfluss er auf die Technik hat. Schon damals kam der klare Impuls von den Trainer*innen - es reicht nicht aus, nur die Technik auf den Prüfstand zu stellen, wir brauchen auch flächendeckend standardisierte Athletiktests in diesem Altersbereich“, erklärt Ronny Fudel.

Ein wesentlicher Teil des Projekts bestand daher darin, bundesweit einheitliche sportartspezifische Athletiktests zu erarbeiten. Im ersten Schritt der Situationsanalyse wurde erfasst, welche Tests (z. B. in den einzelnen Landesverbänden) bislang durchgeführt werden. Darauf aufbauend entwickelten Expertengruppen aus Trainer*innen und IAT-Wissenschaftler*innen der Fachgruppen und dem Fachbereich Nachwuchsleistungssport jeweils einen DSV Athletiktest Grundlagentraining/U15 für die Sportarten Skilanglauf/Biathlon und einen zweiten für Skisprung/Nordische Kombination, da die beiden jeweiligen Disziplinen hinsichtlich der allgemein-athletische Anforderungen eng miteinander zusammenhängen.

Im zweiten Schritt haben wir dann die Testungen durchgeführt, Daten erhoben, ausgewertet und zurückgemeldet“, beschreibt Ronny Fudel den praxisnahen Projektteil: „Das war durchaus eine Herausforderung im Projekt: Für vier Sportarten und mehrere hundert Athlet*innen Testtermine, standardisierte Durchführungen und zeitnahe Auswertungen für Athletik im Sommer und Technik im Winter zu koordinieren“.

Die gemeinsame Interpretation der entwickelten Tests ermöglicht nun nicht nur ein umfassendes Feedback an Athlet*innen und Trainer*innen, sondern stärkt auch eine einheitliche Trainingsphilosophie. Neue Erkenntnisse für den langfristigen Leistungsaufbau bilden die Grundlage für Trainingskonzeptionen, z. B. wie sich die Ergebnisse in Beweglichkeitstests auf die Anfahrtshocke im Skispringen auswirken.

Für die Saison 2022 konnte man im Skilanglauf nachweisen, dass sowohl die Athletikleistung, als auch die Technikqualität positiv mit den Wettkampfergebnissen im Deutschen Schülercup korrelieren. Aber natürlich lässt sich sportliche Leistung nicht nur mit Athletik und Technik erklären. Gerade im Nachwuchsbereich spielen Faktoren wie das biologische Alter, Trainingsalter oder Umfeldfaktoren eine sehr große Rolle. Diese wurden ebenfalls erfasst und vor allem bei den Jungs im Altersbereich U15 zeigte sich, dass die Streuung des biologischen Alters sehr groß ist und früh entwickelte Sportler signifikant bessere Wettkampfleistungen erzielen. Um hier langfristig fundierte Aussagen treffen zu können, bedarf es aber weitere Erhebungen in den nächsten Jahren.

Für die Trainingssteuerung ist es wichtig, zu wissen, in welchem biologischen Alter sich meine Nachwuchssportler*in tatsächlich befindet“ erklärt Ronny Fudel. „Im Rahmen der Athletiktests können wir das im Stationsbetrieb relativ einfach erfassen. Eine gewisse Vorahnung haben die Trainer*innen natürlich schon. Diese belegen wir nun mit objektiven Werten, welche nicht selten einen biologischen Altersunterschied von zwei Jahren zeigen, obwohl man am selben Tag Geburtstag hat. Das äußert sich dann in Größen- und Gewichtsunterschieden von 30 cm oder 20 kg. Dementsprechend gewinnen die Frühentwickler natürlich häufig die Wettkämpfe und andere werden 15., obwohl vielleicht Beide gleich gute Athletik- und Technikwerte haben. Spannend wird zu sehen, wie sich diese Unterschiede langfristig in den komplett verschiedenen Anforderungsprofilen klein und leicht vs. groß und stark der Sportarten Skispringen und Skilanglauf auswirken.“

Tim Kopp, bis letztes Jahr Chef-Trainer im NK2-Kader der Nordischen Kombinierer und aktuell Co-Trainer der A-Mannschaft der Kombinierer-Frauen war als Partner für die Disziplin eng in das Projekt eingebunden: „Es geht letztendlich ja nicht darum zu sagen, dass der eine besser und ein anderer schlechter ist. Es geht immer um die Verbesserung der individuellen Leistung. Für mich als Trainer ist es entscheidend, das Training passgenau zu steuern. Nur wenn wir die Leistungen richtig einschätzen, können wir sie auch weiterentwickeln“.

 

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